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Berichte und Interviews / Reports and Interviews

Papierrestauratorin Hai-Yen Hua-Ströfer in Mannheim

-Heilung mit Technik und Tradition-


Paper restorer Hai-Yen Hua-Ströfer in Mannheim

-Healing with technology and tradtion-


Cathrin Pischon Kunsthandel Oktober 2000

Dunkle Flecken, Risse und Fehlstellen erzählen von der wechselvollen Geschichte manchen Kunstwerkes, das in die Restaurierungswerkstatt von Hai-Yen Hua-Ströfer eingeliefert wird. Mit viel Idealismus, Fingerspitzengefühl und Geduld widmet sich die gebürtige Chinesin aus Taiwan der Restaurierung und Konservierung ihrer oft hochbetagten Patienten. Dabei vereint sie uralte asiatische Traditionen und modernste wissenschaftliche Methoden - eine Kombination, die sie weit über die Grenzen Europas bekannt gemacht hat.

Die Restaurierungswerkstatt gleicht einer Alchimistenküche. Sorgsam geordnet reihen sich an den Kopfenden der langen Arbeitstische unzählige Mörser, Tiegelchen und Töpfe, Pinsel und Spatel aneinander. An den Wänden begegnen sich jahrhundertealte Kunstwerke aus Asien und Europa, die dem Arbeitsraum eine kontemplative Atmosphäre verleihen. Hier widmet sich die Restauratorin Hai-Yen Hua-Ströfer ihrer komplizierten und verantwortungsvollen Aufgabe: der Restaurierung und Konservierung von Kunstwerken auf Papier und Textilien.

Die Chinesin gelangte über zahlreiche Umwege nach Mannheim. Ihre umfangreichen Studien zur asiatischen und europäischen Kunst absolvierte sie in Asien, Europa und Amerika. Während eines Studienaufenthaltes in Chicago lernte sie ihren Mann kennen, dessen berufliche Anstellung im Rhein-Neckar-Dreieck sie nach Mannheim brachte. Während ihrer langjährigen Tätigkeit als Grafikrestauratorin für die Mannheimer Kunsthalle arbeitete Hai-Yen Hua-Ströfer bereits freiberuflich, bevor sie sich mit ihrer Restaurierungswerkstatt selbstständig machte.

Eine Sachverständige für Kunst auf Papier

Heute zählt die Werkstatt der Asiatin zu den modernsten und renommiertesten ihrer Art in Europa. Auf rund 1.000 Quadratmetern Arbeitsfläche restauriert sie wertvolle Zeichnungen, Aquarelle, Druckgrafiken, Plakate, Pastelle, Gouachen, Miniaturen, Globen, Landkarten, Tapeten, moderne Kunst, ostasiatische Rollbilder, Paravents und Bücher. Einzigartig ist dabei die Verbindung uralter asiatischer Traditionen mit modernsten wissenschaftlichen Methoden. Dies weiß auch ihr Kundenstamm zu schätzen, zu dem neben international bekannten Museen auch namhafte Privatsammler zählen. In ihrer Patientendatei befinden sich neben alten Evangeliarien und Himmelsgloben auch zahlreiche Blätter von Paul Cézanne, Edvard Munch oder Carl Spitzweg. Seit 1998 ist Hai-Yen Hua-Ströfer außerdem die erste und einzige öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für den Zustand und die Restaurierung von Kunst auf Papier und Textilien in Deutschland. Die Gutachten werden dabei nicht nur für große Versicherungsinstitute oder Museen erstellt, sondern beurteilen unter anderem auch Streitfälle zwischen Einrahmern und Kunden wegen unsachgemäßer Rahmung.

Die Ursachen für die eingelieferten Schadensfälle sind vielfältig und reichen von der falschen Lagerung oder Rahmung bis hin zu Ausstellungs-, Feuer-, Wasser- und Transportschäden. Zur Zeit bearbeitet die Restauratorin einen großformatigen Stadtkalender aus dem Jahre 1775, der zahlreiche Risse, Knicke, Falten und Fehlstellen aufweist. Auch bei diesem Projekt beginnt die Arbeit der Restauratorin zunächst mit einer genauen Analyse des vorliegenden Kunstwerks: In einem Protokoll, das dem Eigentümer nach Beendigung der Arbeit zugeht, werden Zustand und Schadensbild zunächst detailgenau beschrieben. Daneben enthält das Schriftstück die zur Restaurierung und Konservierung erforderlichen Maßnahmen. Im Anschluss an das Verfassen des Protokolls beginnt die eigentliche Arbeit der Restauratorin.

Vom Reinigen bis zur vorsichtigen Retusche


Das Kunstwerk muss zunächst gereinigt und entsäuert werden. Zur Trockenreinigung dienen Hai-Yen Hua-Ströfer meist Radiergummi, Pinsel und Skalpell, mit deren Hilfe Flecken oder Staub behutsam entfernt werden. Dann erfolgt die Nassreinigung des Papiers in einem eigens entwickelten Vakuum-Niederdrucktisch mit Wasserringpumpe. Auf einem feinporigen Polypropylensieb wird das Kunstwerk regelrecht gewaschen und letztlich in einer Neutralisierungsanlage mit Calciumcarbonat entsäuert.

Als Klebemittel für die zahlreichen Risse und Bruchstellen verwendet Hai-Yen Hua-Ströfer ausschließlich Weizenstärke, die sie nach eigener Rezeptur sorgfältig anrührt. Fehlstellen in Kunstwerken werden teils durch hochwertige Papierimporte aus Japan, China, Italien, Frankreich oder England, teils durch kostbare Papierreste aus alten Bibliotheken ergänzt. Bei fehlenden Ecken bedient sich die Restauratorin hingegen der Methode des Anfaserns: Dabei werden mithilfe einer feinen Nadel die noch nassen Fasern einer Papiermaische aufgetragen, die sich unter dem Druck einer Papierpresse mit dem Originalpapier verbinden. Zwischen mehreren Lagen Pappe und Löschkarton wird bis zu zwei Tagen gepresst. Nach dem Ausgleichen der Risse und Fehlstellen wird das Kunstwerk in noch leicht feuchtem Zustand auf einer großen chinesischen Trockenwand gespannt. Bei dieser uralten asiatischen Methode werden zunächst die vier Ränder des Bildes über einen Zentimeter breit mit Kleister versehen und anschließend auf die Spezialkonstruktion aufgezogen.

Zuletzt folgt die Retusche des Bildes - oft der schwierigste Arbeitsschritt bei der Restaurierung von Kunstwerken. Ergänzt werden die Bilder nur dann, wenn es unbedingt notwendig ist. Denn ein Credo der Restauratorenzunft lautet, dass ein Kunstwerk niemals durch eigene Ideen ergänzt oder gar verfremdet werden darf. "Als Restauratorin bin ich keine Künstlerin, ich darf nichts nachmalen", erklärt sie. In der Regel ist die Arbeit an einem Blatt nach einem halben Jahr abgeschlossen. Dann geht das Kunstwerk an seinen Besitzer zurück, der sich an dem Werk neu erfreuen kann.

Hai-Yen Hua-Ströfer hat sich mit ihrem umfangreichen Restauratorenwissen einen guten Ruf in Fachkreisen aufgebaut. Ihre umfangreichen Studien zur asiatischen und europäischen Kunst absolvierte sie in Asien, Amerika und Europa.

In der Restaurierungswerkstatt begegnen sich jahrhundertealte Kunstwerke aus Asien und Europa, die sorgfältig restauriert werden.


Ihre Dienstleistungen: Betreuung von Ausstellungen und Schadensfällen, präventive Maßnahmen und Beratung zur Konservierung und Aufbewahrung

Typische Schadensfälle beim Einrahmen


Viele Kunden klagen gegen Galeristen und Einrahmer, weil die Bilder unsachgemäß gerahmt werden. Die meisten Fehler erkennt die Restauratorin Hai- Yen Hua-Ströfer in der Verwendung schlechter Materialien und der falschen Montage von Grafiken:

Falsche Kartons: Häufig benutzen Einrahmer falschen Rückwand- und Passepartoutkarton. Dazu zählen insbesondere ligninhaltige Materialien, die das Papier des Originals mit der Zeit vergilben lassen. Hai-Yen Hua-Ströfer empfiehlt deshalb ausschließlich die Verwendung von säurefreien, ph-neutralen Museumskartons. Sie sollten zu 100 % aus gebleichtem Zellstoff gefertigt und frei von verholzten Fasern, Lignin und Harz sein.
Kein Abstand zum Glas: Der Abstand zwischen Glas und Original ist von großer Bedeutung. Denn bei allen Bildern, ob Aquarelle, Pastelle oder sogar Lithographien, kleben die Pigmente bei direktem Kontakt am Glas fest. Deshalb ist ein Passepartoutfenster unbedingt notwendig, um den Abstand zum Glas zu gewähren. Falsche Montage: Oft werden die Grafiken vor dem Einrahmen befeuchtet und dann an den vier Rändern des Passepartouts mit Klebestreifen festgeklebt. Bis das Papier trocken ist, zieht es sich mehrfach zusammen und es kann zu großflächigen Rissen und Beschädigungen kommen. Deshalb sollten Grafiken lediglich am oberen Rand des Passepartouts befestigt werden. Hai-Yen Hua-Ströfer empfiehlt hierzu kleine langfaserige Papierfalze.

Denn nur so kann sich das Papier entsprechend den Klimaschwankungen frei ausdehnen und zusammenziehen. Die Falze sollten mit Naturkleber, also etwa Weizen- oder Reisstärke befestigt werden. Säurehaltige Rückwand- und Passepartoutkartons lassen mit der Zeit das Papier des Originals vergilben.

Fehlender Abstand zum Glas führt häufig zu einer Ablagerung der Farbpigmente.

Die Restauratorin Hai-Yen Hua-Ströfer empfiehlt zur Montage von Grafiken im Passepartoutfenster langfaserige Papierfalze, die mithilfe von Weizen- oder Naturstärke befestigt werden sollten. Oft werden die Grafiken vor dem Einrahmen befeuchtet und mit Klebestreifen am Passepartout montiert. Durch die Ausdehnung des Papiers kann es zu großflächigen Rissen und Beschädigungen des Originals kommen. Die Aufnahmen zeigen die Vorder- und Rückseite einer derart beschädigten Grafik.