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Berichte und Interviews / Reports and Interviews

Wie Frau Hua Papier heilt

How Ms Hua cures paper


Ulla Cramer

Mannheim- Stadt im Quadrat 93/94

How Ms Hua cures paper

Hai-Yen Hua has been in Mannheim for over 12 years now and sees herself as a "surgeon", only her patients are not of flesch and blood but of paper. And that ist waht she does: Ms. Hua "heals" paper. "I restore everything painted or drawn on paper or silk", she says, to describe her work. The reason why many drawings and maps are "ill" are legion but particularly reprehensible is the practise of many museums to attach drawings with adhesive tape. Her contractor are many big European museums as well as private collectors. Often the trained art historian carries out the restoration of od maps, e.g. the medieval townscape of Überlingen that dates from the year 1772 which is restoring at the moment. Even if the restorator thinks of herself as an artist in her own right, she must not change her object of work and stay true to its spirit. Paper restorator is a liberal profession but there are some signs of training prgrams in Stuttgart, Munich and Cologne.

Hai-Yen Hua herself studied extensively in many countries.

Hai-Yen Hua has been in Mannheim for over 12 years now and sees herself as a „surgeon“, only her patients are not of flesh and blood but of paper. And that is what she does: Ms Hua „heals“ paper. „I restore everything painted or drawn on paper or silk“, she says, to describe her work. The reason why many drawings and maps are „ill“ are legion but particularly reprehensible is the practise of many museums to attach drawings with adhesive tape. Her contractors are many big European museums as well as private collectors. Often the trained art historian carries out the restauration of old maps, e.g. the medieval townscape of Überlingen, that dates from the year 1772, which she is restoring at the moment. Even if the restorator thinks of herself as an artist in her own right, she must not change her object of work and stay true to its spirit. Paper restorator is a liberal profession but there are some signs of training programs in Stuttgart, Munich and Cologne. Hai-Yen Hua herself studied extensively in many countries.


Die Chinesin aus Taiwan, die bereits seit zwölf Jahren in Mannheim lebt, entspricht in ihrer kompetenten und zupackenden, aber auch sensiblen und mitfühlenden Art diesem Berufsbild in geradezu idealer Weise. Spräche man sie darauf an, würde sie einer entsprechenden Vermutung vielleicht auch nicht entgegentreten.

Frau Hua sieht sich durchaus als „Chirurgin“. Nur sind ihre Patienten nicht aus Fleisch und Blut. Die schlanke engagierte Frau „heilt“Papier. „Ich restauriere alles, was auf Papier oder Seide gemalt und gezeichnet ist", beschreibt sie ihre Arbeit. Viele große europäische Museen sind ihre Auftraggeber, aber auch Privatsammler können ihre Fähigkeiten in Anspruch nehmen. Gerne wird der ausgebildeten Kunsthistorikerin beispielsweise die Restauration von alten Landkarten übertragen:

Bei unserem Besuch versucht sie gerade ein seltenes Stück wieder herzurichten, das eine mittelalterliche Stadtansicht von Überlingen zeigt und aus dem Jahre 1772 stammt. In einem Restaurierungsprotokoll wird zu diesem Zweck erst einmal penibel genau der Zustand des Neueingangs protokolliert. Die Landkarte ist in einer recht bemitleidenswerten Verfassung, sie hat zahlreiche Löcher und Bruchstellen. Die Verwendung von dicken Schichten Roggenmehl als Klebemittel sowie die jahrhundertelange schlechte Lagerung haben dazu geführt, dass sich auf der Karte Schimmel gebildet hat.

In sorgfältiger Arbeit muss das Bild gereinigt und entsäuert werden. Dann muss es von der alten Leinwand abgelöst und die Reste des Leims müssen entfernt werden. Frau Hua verwendet als Bindemittel für den Kleber nur Weizenstärke. „Der ist jederzeit mit Wasser wieder abzulösen.「 Ist das geschafft, geht es ans „Flicken“. Die Risse und Fehlstellen müssen mit neuem Papier oder durch die Methode des Anfaserns ergänzt werden. Dabei werden die Löcher durch die Fasern einer Papiermaische verschlossen. Überall, wo sie Papierreste aus alten Bibliotheken entdeckt, schlägt die Restauratorin zu. Ergänzt wird ihr Papierlager“ durch Importe aus Japan, China, Italien, Frankreich und England. Da es immer schwieriger wird, an die richtigen Papiersorten zu kommen, greift Frau Hua manchmal auch zum Papier Marke „Eigenherstellung“.

Sind die Unebenheiten im Bildrücken ausgeglichen und ist das Bild an der Rückseite mit mehreren Lagen Papier kaschiert worden, dann wird es auf die chinesische Trockenwand gespannt. Dies ist eine alte asiatische Methode. Diese Spannwand ist eine Spezialkonstruktion mit den gewaltigen Ausmaßen von zehn Meter Länge mal vier Meter Höhe, um auch große Objekte bearbeiten zu können.

Schließlich kommt die Retusche des Bildes selbst. Feinste Nuancen und Schattierungen sind zu berücksichtigen. Aus fünf Farben stellt die Fachfrau zu diesem Zweck einige tausend Mischungen her. Ergänzt werde die Bilder allerdings nur, wenn es unbedingt notwendig ist. Auch wenn der Restaurator sich durchaus als Künstler versteht, so darf er doch niemals ein Kunstwerk mit eigenen Ideen „verfremden“.




Zur „Heilung“ ihrer papierenen Patienten hat die Restauratorin eine Reihe eigener Geräte entwickelt, die sie in ihrer großzügigen und lichtdurchfluteten Werkstatt aufgestellt hat. Zum Reinigen der Kunstwerke dienen Vakuum-Niederdrucktische. In einem Dampfkasten werden die Verklebungen gelöst. Die Entsäuerung des Papiers erfolgt in einer Lösung von Karbonaten, die in einer Spezialanlage vor Ort hergestellt wird.

Die Gründe für die Krankheiten der Zeichnungen und Karten sind mannigfaltig. Ganz besonders verdammenswert findet die Chinesin die in vielen Museen geübte Praxis, Bilder mit Tesafilm festzukleben. „Das führt dazu, dass mittelfristig Weichmacher ins Papier kommen.“ Auch das Kleben auf Holz oder billige Holzpappe ist äußerst gefährlich, denn das im Holz enthaltene Lignin führt zur Säurebildung. Dies verursacht auf Dauer die Vergilbung des Papiers und schließlich seinen Zerfall.

Auch die Qualität des Papiers ist von großer Bedeutung. In früheren Jahrhunderten verwendeten die Künstler ausschließlich handgeschöpftes Papier, das aus Lumpen hergestellt wurde. Mit der industriellen Papierherstellung im 19. Jahrhundert hielten minderwertigere Grundsubstanzen, wie Holzschliff, Einzug in die Papierherstellung. Die Folge ist ebenfalls eine Übersäuerung des Papiers und damit der Kunstwerke auf Papier. Dies kann zu ihrer beschleunigten Zerstörung führen.

Damit die Graphiken und Zeichnungen „atmen können“, plädiert die Papier-Expertin dafür, die Bilder nicht auf Holz oder Leinwand aufzuziehen, sondern sie in Passepartouts aus säurefreiem Karton aufzubewahren.

Papier-Restauratorin ist kein geschützter Beruf. Erste Ansätze für eine Ausbildung gibt es jetzt in Stuttgart, München oder Köln. Hai-Yen Hua selbst hat ein umfangreiches Studium in vielen Ländern, in Asien, Europa und Amerika hinter sich. In den USA lernte sie auch ihren Mann kennen. Dessen Beruf brachte sie auch schließlich nach Mannheim. Als er vor zwölf Jahren eine Stelle im Rhein-Neckar-Dreieck antrat, zogen die beiden in die Quadratestadt. Als Chemiker hat er viel Interesse an der Arbeit seiner Frau und hat ihr schon manchen Tip gegeben.

Heute gehört die Werkstatt zu den modernsten und besteingerichteten in Europa. Das besonders Reizvolle an Frau Huas Arbeit ist die Verknüpfung von modernen wissenschaftlichen Methoden und uralten asiatischen Traditionen. Denn schließlich stand die Wiege des Papiers ja im Reich der Mitte, und entsprechend groß ist der Erfahrungsschatz, den man dort mit diesem Material angesammelt hat. Neben Graphiken und Zeichnungen, Wandbildern und Aquarellen werden Pergamente, Globen und Tapeten restauriert.

Für Hai-Yen Hua jedenfalls ist ihre Arbeit die Erfüllung eines Traums. Sie kann den asiatischen und den europäischen Kulturkreis in ihrer Arbeit verbinden – und sie steht bei jedem Projekt wieder vor einer großen Herausforderung. „Und letztendlich“, so betont sie, „ist es ja nicht nur das handwerkliche und künstlerische Know-how, das meinen Beruf so interessant macht. Es ist auch der quasi ‚persönliche Kontakt', den man zu den Künstlern entwickelt, deren Bilder man restauriert.“

Wenn es darum ginge, den Beruf von Hai-Yen Hua zu erraten,

würde sicher mancher Zeitgenosse auf Chirurgin tippen.